Hauptversammlung der KHS Fürth: Handwerker fordern Schulförderung und Bürokratieabbau
Fürth (pr) -Der Mangel an Gewerbeflächen und Fachkräften, zu viel Bürokratie und hohe Energiepreise machen den Betrieben der Kreishandwerkerschaft Fürth zu schaffen und sorgen dafür, dass immer mehr Metzger, Bäcker oder Schuhmacher schließen. „Die Politik soll uns zuhören" und „Planungssicherheit für Investitionen", forderte deshalb Kreishandwerksmeister Konrad Ammon bei der Jahreshauptversammlung der KHS im „Fan-Bunker" der Sportfreunde Ronhof.
Ein besonderer Tagungsort: Der Hochbunker an der Kronacher Straße mit 2 m dicken Stahlbetonwänden wurde 1941 für 500 Menschen gebaut - zur Irreführung feindlicher Bomberpiloten in Form einer Kirche. Nach Ausbau zum Atomschutzbunker für 900 Personen 1970/71 endete der Schutzzweck 2019. Die Sportfreunde um Vorsitzenden Willi Weber pachteten das denkmalgeschützte Bauwerk, entfernten 120 t Schutt, renovierten und weihten es im Juli 2021 als Vereinsheim ein.
Große handwerkliche Leistung lobte hier Gastredner Thomas Pirner. Der Präsident der Handwerkskammer für Mittelfranken nannte die aktuelle Lage im Handwerk besser als erwartet, 85 % der Betriebe gehe es „gut bis befriedigend". Während Bau und Ausbau die Auftragsdelle wegen hoher Kosten spürten, sei Heizung und Sanitär dank der Klimapolitik der Bundesregierung im Stimmungshoch. Die Energiepreise aber sorgten bei vielen Gewerken für Existenzängste. Da müsse die Politik handeln und nicht nur die Industrie einbinden. Pirner, der im Herbst in Nürnberg-Nord für die CSU für den Landtag kandidiert, lobte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder für Initiativen wie Kostenbefreiung für Meisterkurse oder den neu eingeführten „Tag des Handwerks" in Schulen. Er rief dazu auf, das eigene Gewerk stets gut zu präsentieren - Motto: „Handwerk hat Zukunft!
Barbara Fuchs, seit 2018 Landtagsabgeordnete für Bündnis 90/ Die Grünen und parallel Geschäftsführerin der Innung der Feinwerktechnik Mittelfranken, würde sich mehr Handwerker in den Parlamenten wünschen: „Viele Politiker verstehen unsere Welt nicht!" Es brauche mehr Geld für berufliche Bildung, Regionalförderung auch für den Mittelstand und „mehr Wertschätzung für das Handwerk".
Vor 25 Zuhörern forderte Konrad Ammon Maßnahmen der Politik gegen den Fachkräftemangel: „Wer soll künftig die Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen installieren?" Bei der Umsetzung der Energiewende sei das Handwerk dabei, aber sie müsse bezahlbar bleiben. So machen z.B. im energieintensiven Metzgerhandwerk, das unter 12.000 Seiten Vorschriften ächzt, bundesweit jährlich 7 Prozent der Betriebe zu - ein großer Verlust auch an Genussqualität.
Vor Ort, wo die KHS z.B. im Fürther Wirtschaftsbeirat mitredet, mahnte Ammon schnellere Genehmigungsverfahren an. Im Zuge des Handwerkersterbens seien ganze Stadtteile (Dambach, Unterfarrnbach) bereits ohne Nahversorger; Metzger gebe es in der 130.000-Einwohner-Stadt nur noch fünf. Er forderte bessere Ausstattung der Berufsschulen (v.a. der maroden Ludwig-Erhard-Schule), mehr Gewerbeflächen (z.B. auf dem Stadelner Faurecia-Gelände), mehr Digitalisierung, Glasfaseranschlüsse für Betriebe und effektives Parkplatzmanagement für Handwerker, die in der Stadt tätig sind.
Kurze Berichte über ihre Innungen gaben deren Vertreter:
- Stabilität nach den Krisen von Corona bis Ukraine-Krieg bilanzierte Harald Karger (Langenzenn) als OM der Metall-Innung.
- Um ca. 30 % höhere Rohstoffpreise belasten laut OM Karl Gräf (Seukendorf) die Bäcker, während viele Verbraucher sparen. Zufrieden ist er mit Tarifabschlüssen von 7 % Gehaltsplus.
- Bau-OM Georg Ruf (Langenzenn) nannte den klassischen Hausbau wegen hoher Zinsen und Preise für 2023 quasi „tot". Viel zu tun gebe es aber in der Sanierung; trotzdem drohe bei manchem Betrieb Kurzarbeit.
- Die Drechslerinnung richtet laut Frank Grottenthaler (Nürnberg) ihr Augenmerk auch auf die vielen Hobby-Drechsler.
- Über den Fleischern sieht stv. OM Stefan Wolf (Nürnberg) „dunkle Wolken": hohe Lohnkosten, aber wegen Kaufzurückhaltung der Kunden teils 20 % Umsatzeinbrüche im Ladengeschäft.
- Bei den Friseuren ist laut stv. OM Karin Kiesel-Reichel (Fürth) „die Stimmung am Boden" - u.a. weil bei über 25.000 Euro Verdienst im Jahr Corona-Hilfen zurückgezahlt werden müssen, weil Kunden sparen und Personal und Azubis fehlen.
- Eine Art „Sonderkonjunktur" mit hoher Nachfrage erleben wegen der Energiekrise die Kachelofen- und Luftheizungsbauer: Laut Vorstandsmitglied Julius Kern (Burghaslach) liegt die Lieferzeit oft bei eineinhalb Jahren.
- Mitgliederschwund und Nachwuchsmangel plagen laut OM Jörg Heilmann (Fürth) Maler und Lackierer. Landesweit setzt man auf Social-Media-Werbung, vor Ort auf Schnupperpraktika.
- Die Präzisionswerkzeugmechaniker haben laut stv. OM Paolo Chesi (Nürnberg) den „Tag des Handwerks" erfolgreich zur Nachwuchswerbung genutzt.
- Die Schreiner haben laut OM Claus Fleischmann (Fürth) stolze 310 Lehrlinge in Fürth und Nürnberg; leider bilden aber nur noch 25 % der Betriebe aus.
- Bei den Schuhmachern wurde Ralf Mannigel (Erlangen) 2022 neuer Obermeister. Er sieht die Lage der Branche stabil.
- Die Zimmerer erleben laut OM Hans-Georg Kolb (Oberasbach) Zurückhaltung großer Kunden; um Personal zu gewinnen, setzen viele Betriebe erfolgreich auf die 4-Tage-Woche.
- Bei den Dachdeckern gibt es laut OM Harald Grüner (Veitsbronn) einen Tarifabschluss mit 8 % Gehaltsplus. Beim Photovoltaik-Boom sucht man die Kooperation mit den Elektrikern.
- Den Elektro- und Informationstechnikern stellt laut Vorstandsmitglied Michael Hofmann (Nürnberg) die Politik viele Probleme, z.B. Abstandsflächen von Häusern. Mit der 4-Tage-Woche im Betrieb hat er nur positive Erfahrungen.
Thomas Mörtel, Geschäftsführer der 16 Innungen und Verbände verwaltenden KHS, berichtete, der interne Umzug der Geschäftsstelle im „Haus des Handwerks" in Fürth sei abgeschlossen; in die freien Räume ziehen die Flessa-Bank und die Versicherung „Münchener Verein" ein.
Bei der Neuwahl der Vorstandschaft wurden KHM Konrad Ammon und Stellvertreter Heinz Hufnagel im Amt bestätigt, ebenso die Beisitzer Karl Gräf, Jörg Heilmann, Harald Karger, Georg Ruf und Hans-Georg Kolb. Neu gewählt wurde Karin Kiesel-Reichel. Als Rechnungsprüfer wurde Thomas Seubert (Fürth) bestätigt, Ralf Mannigel neu gewählt.
Offen blieb in der Diskussion, ob es weiter eine gemeinsame große Freisprechungsfeier für die Lehrlinge (heuer am 16. September im Kulturforum Fürth) sowie eine Feier für Jung-und Altmeister geben soll. Denn mehrere große Innungen (z.B. Metaller, Schreiner) veranstalten eigene Feiern.