Drechslerhandwerk feiert Aufnahme ins immaterielle Kulturerbe

Urkundenübergabe im Schloss Schleißheim: Drechslermeister Wolfgang Miller, Auszubildender Quirin Steiner, Bayerns Kunstministerin Prof. Dr. med. Marion Kiechle, Drechslerverbands-Geschäftsführer Thomas Mörtel und Festakt-Moderatorin Traudl Siferlinger.

Oberschleißheim/Fürth- Juli 2018 (pr) - Das Drechslerhandwerk darf jubeln: Im noblen Schloss Schleißheim bei München wurde mit der feierlichen Urkundenübergabe seine Aufnahme ins immaterielle Kulturerbe Bayerns besiegelt.
„Wir sind stolz und glücklich, dass damit ein echtes Traditionshandwerk die öffentliche Aufmerksamkeit und Anerkennung erhält, die es verdient", betont Thomas Mörtel, der im Fürther „Haus des Handwerks" die Geschäfte des Deutschen Drechsler- und Holzspielzeugmacherverbandes führt. Dass dieser bereits seit 1973 in der Kleeblattstadt beheimatet ist, ist kein Zufall. Franken gilt heute als eines der Zentren im Hinblick auf die Weitervermittlung der
handwerklich-tradierten Fähigkeiten und Techniken dieser Handwerkskunst, deren erste Spuren sich vor 4500 Jahren in Ägypten finden.

Die Technik des Drehens zur Bearbeitung rotierender Werkstücke aus Holz, Horn, Bernstein oder Elfenbein wird vor allem in kleinen Betrieben bewahrt, etwa bei Vorstandsmitglied im Bundesverband, Drechslermeister Frank Grottenthaler aus Nürnberg oder aber bei Drechslermeister Wolfgang Miller in Maßbach. Der stv. Vorsitzende des 1879 gegründeten und heute etwa 100 Mitglieder zählenden Drechslerverbandes leitet im nahen Bad Kissingen auch die dreijährige Fachausbildung des Nachwuchses an der Berufsschule - einem von nur noch zwei Standorten in Deutschland. Denn Lehrlinge sind rar.
Der 54-jährige Miller, der die Aufnahme in die Liste des immateriellen Kulturerbes initiiert und in zweijährigen Bemühungen vorangetrieben hat, glaubt an eine positive Initialzündung: „Ich hoffe, dass dadurch die Kollegen wieder mehr Stolz auf ihren Beruf und Standesbewusstsein entwickeln und auch wieder mehr Auszubildende in ihre Betriebe aufnehmen, um ihr Wissen an die nächste Generation weiterzugeben."
Solche handwerklichen und gesellschaftlichen Traditionen zu bewahren, ist eines der Ziele des immateriellen Kulturerbes. Bayerns Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Prof. Dr. Marion Kiechle, die zwölf Urkunden für die Neuaufnahmen des Jahres 2018 überreichte, sieht darin „lebendige kulturelle Ausdrucksformen", die Gemeinschaft, Identität und Sinn stiften und Bayern unverwechselbar machen. Bis dato zählt das Verzeichnis 37 Einträge, darunter das Flechthandwerk oder die Mal-, Fass- und Vergoldetechniken der Kirchenmaler, aber auch Traditionen wie die Schafhaltung oder die Fürther Michaeliskirchweih (ebenfalls 2018 neu).
Zur Illustration ihres Handwerks brachte die Drechslerdelegation ein handgedrehtes mannsgroßes Kaleidoskop nach Oberschleißheim mit und präsentierte es auf der Bühne. Es steht sinnbildlich auch für die moderne, anspruchsvolle Produktpalette der etwa 1600 deutschen Drechslerbetriebe. Ein Viertel davon allein in Bayern. Das Angebot reicht von kunstvollen Schalen und Leuchtern über Gebrauchsgegenstände wie Eierbecher und Pfeifen bis zu Schachfiguren und Drum-Sticks. Gearbeitet wird traditionell von Hand an der Drehbank - oder mit modernen CNC-Automaten.
Eine handwerklich-künstlerische Kombination, die nach Ansicht von Verbands- und Kreishandwerkerschafts-Geschäftsführer Mörtel mit Aufstiegsmöglichkeiten z.B. zum Meister, Techniker, Betriebswirt des Handwerks oder zu Studiengängen in Bereichen wie Produktdesign für viele junge Leute attraktiv sein sollte - wenn sie denn bekannter wäre. Aber das kann ja noch besser werden: Die Drechsler wollen ihre für die Kulturerbe-Bewerbung gesammelten Brancheninfos künftig in Broschüren für die Nachwuchswerbung einbringen. Und sie hoffen auf eine baldige Aufnahme auch ins Bundesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes; dieser nächste Schritt würde die positive Öffentlichkeitswirkung vervielfachen.

Foto: PR (Andreas Gebert)